Unternehmensnachfolge: "Gehe ich oder bleibe ich?"

Insel Unternehmer-Persönlichkeit

Mit dieser Frage konfrontierte mich unlängst ein junger Mann, dessen Vater uns Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet hatte und vor dessen Sohn ich nun saß.

Der Sohn, 30 Jahre alt, hatte die Führung des Unternehmens bereits vor drei Jahren offiziell übernommen und war auf dem Papier wie der Vater, Geschäftsführer. Er hatte die fachlichen Voraussetzungen, war Bäcker- und Konditormeister und auch Betriebswirt des Handwerks. Der Vater, 64 Jahre alt und der Großvater waren beide Bäcker und so war klar, dass auch der Sohn die Bäckerei weiterführen würde. Das Unternehmen hatte zwischenzeitlich 25 Filialen und war eine echte Marke in der Region.

Der Vater, der sowohl die Backstube bzw. die Produktion leitete, als auch in den Filialen, im Verkauf immer wieder Impulse setzte, konnte offensichtlich nicht loslassen. Im Vorgespräch hatte er sehr wertschätzend vom Engagement und den Ideen seines Sohnes gesprochen und keinen Zweifel daran gelassen, in ihm den künftigen Nachfolger zu sehen. Er sei ja bereits auf gutem Wege und er, der Vater, würde sich auch schon massiv zurückziehen.

Der junge Mann beschrieb den Vater in ehrfürchtiger Art und Weise, dass er aus der „Dorfbäckerei“ des Großvaters mit viel harter Arbeit und großem Einsatz ein richtiges, mittelständisches Unternehmen aufgebaut habe. Er lebe nach dem Motto „Tu es!“ und würde die Menschen immer wieder überrollen, ohne es tatsächlich zu merken. Neben ihm fühle sich der junge Mann klein und unbedeutend. Er würde die Dinge gern überlegt und konzeptionell angehen. Der Vater habe ihm den Bereich Gastronomie, der in fünf großen Standorten mit Mittagstisch und einer „After-Work-Lounge“ betrieben würde übergeben und gerade neulich im Vorbeigehen davon gesprochen, dass dieser defizitär das letzte Jahr abgeschlossen habe. Dann hatte er noch die Frage nachgeschoben, ob er sich das überhaupt zutraue ohne eine echte Antwort erwartet zu haben.

Beide waren also offensichtlich noch intensiv in ihren alten, angestammten Rollen Vater/Sohn unterwegs. Weder Vater noch Sohn hatten im Umgang miteinander, im geschäftlichen Alltag, die Rolle des Geschäftsführers eingenommen und auf Augenhöhe gesprochen. Dies ist ein Phänomen, das uns in eigentümergeführten Unternehmen häufig begegnet. Hinzu kommt oft, dass die wesentlichen, geschäftlichen Entscheidungen, am Küchentisch oder beim Sonntags-Kaffee getroffen werden. Nicht selten eskaliert ein solches familiäres Kaffeetrinken dann in eine emotionale „Generalabrechnung“ zwischen allen Familienmitgliedern. Das wiederum führt dazu, dass die längst ausgezogenen Kinder mit ihren Enkeln, diese sonntäglichen Treffen meiden. Nicht selten sitzt dann die Ehefrau/ Mutter/ Oma zwischen allen Stühlen, da sie wiederum in ihrer angestammten Rolle den Familienfrieden retten möchte.

Also: Letztendlich ist es für Keinen nützlich, weder für die Familie, noch für das Unternehmen, die Rollen des privaten Kontextes und des geschäftlichen Kontext zu verquicken. Zuviel emotionale Energie geht verloren!

Hier ein paar einfache Verhaltensregeln, bei denen am Anfang ein intensiver Termin mit allen Beteiligten und  mit einem entsprechend ausgebildeten Moderator steht:

  1. Die richtige Wahl des Ortes (Rahmen) beachten:

Im privaten Umfeld, Küche, Wohnzimmer, Terrasse, Schlafzimmer, usw. usw. finden nur private Gespräche statt. Unternehmerische Themen werden im Besprechungsraum oder im Büro besprochen. Zwischending ist das Auto. Hier muss klar sein, ob man auf einer Privatfahrt oder geschäftlich unterwegs ist.

  1. Die Unterschiede der Familienmitglieder herausarbeiten

Jeder Mensch hat Eigenschaften, Neigungen und Fähigkeiten, die in unterschiedlichen Momenten im Geschäftsleben nützlich oder weniger nützlich sind. Z. B. mit Hilfe einer Denk-Stil-Analyse (HBDI-Profil) können diese Dinge wertungsfrei erkannt und besprochen werden.

  1. Feste Besprechungstermine:

Auch die geschäftsführenden Familienmitglieder sollten feste Besprechungstermine mit konkreten Themen vereinbaren. Manches muss vielleicht erst einmal ohne die Führungskräfte besprochen sein.

  1. Verhalten gegenüber Mitarbeitern:

Gegenüber Mitarbeitern immer aus einem Munde sprechen. Das erfordert obigen Abstimmungsbedarf.

  1. Klare Rollen-, Aufgaben-, Kompetenzen- und Vertretungsregelungen:

Diese müssen einmal gemeinsam festgelegt und dann eingehalten werden. Wer hat welche Rolle im Unternehmen? Beliebtestes „Rollen-Hopping“ der Beteiligten: Unternehmerin/ mitarbeitende Ehefrau des Unternehmers/ Kfm. Leitung; 3 Rollen, eine Person!

  1. Kein Rabattmarkenheft kleben (Generalabrechnung):

Konstruktives Feedback immer direkt. Nicht erst nach Monaten ein „volles Rabattmarkenheft“ präsentieren.

  1. Zeitschiene vereinbaren:

Wann übernimmt wer von den Kindern, verantwortlich, welche Aufgabe. Wann übergibt die Seniorin/ der Senior welche Aufgabe. Dabei erhöht sich die Verbindlichkeit bei schriftlicher Fixierung und Bekanntgabe vor den Mitarbeitern. Unbedingt bei Gesprächen mit den Mitarbeitern darauf hinweisen, wie es sein soll, denn auch der Unternehmer kann nicht einfach den Hebel umlegen.

Ob er bleiben wird ist heute noch nicht ganz klar. Aber beide, Vater und Sohn geben sich große Mühe, Privat und Geschäft zu trennen. Dadurch hat sich zumindest die Stimmung in der (den) Familie (n) deutlich entspannt.

Der Sohn entwickelt zusehends eine eigene Persönlichkeit und klärt für sich, was ihn antreibt.

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