Stress, die moderne Form des Selbstmordes oder nur der Ausgleich zum Müßiggang?

Bild

"Es sind die täglichen Kleinkriege, die uns kleinkriegen."

                                                                                      Gerhard Uhlenbruck

 

Einer unserer aktuellen Kunden, ein eigentümergeführtes Dachdeckerunternehmen, mit über 200 Mitarbeitern, bzw. dessen Eigentümer, hat mich dazu gebracht, das Thema Stress für uns genauer zu beleuchten.

Da ist dieser Dachdeckermeister, von dem ich um 4.15 Uhr schon die ersten Mails bekomme und mit dem ich abends gegen 21.00 Uhr noch beim Italiener den Tag Revue passieren lasse und der (fast) immer ausgeglichen wirkt und sein Unternehmen stets kreativ weiterentwickelt. Er arbeitet, nach eigenen Worten, regelmäßig nicht nur IM, sondern auch AM Unternehmen, wofür er gern die Zeit sonntags ab 4.00 Uhr verwendet um dann gegen 9.30 Uhr zu Hause mit den Frühstücksbrötchen zu erscheinen.

„Workeholic“, würde man sagen, und vielleicht einer, der kein zu Hause hat. Aber weit gefehlt. Er ist topfit, auch ohne Sport, interessiert an allem und hat einfach „voll Bock auf den Laden“ … wie er dann sagt.

 

Also, zurück zum Stress: Was ist eigentlich Stress?

Sind es nicht die Momente in denen wir uns überfordert fühlen, glauben, den Überblick und/oder die Kontrolle über die Dinge zu verlieren. Eine zu knapp gesetzte Zeitspanne für eine Aufgabe, oder auch eine Aufgabe, der wir uns nicht gewachsen fühlen. Versagensangst! Aber Angst wovor bzw. vor wem? Chef, Vorgesetzter, Partner oder auch vor sich selbst.

Neutral gesehen bedeutet Stress lediglich, ein erhöhtes Maß an Aktivität im gesamten Organismus.

Wir unterscheiden in Eu-Stress (positiv) und Di-Stress (negativ).

Eu-Stress sind die Momente, in denen man mit Begeisterung etwas tut, was einen zwar körperlich oder geistig stark anstrengt, wir aber dennoch das Gefühl haben, diese meistern zu können.

Passt die Herausforderung der Aufgabe exakt auf unsere Fähigkeiten und Leistungsmöglichkeiten, spricht man vom „Flow“ (nach Prof. Mihaly Csikszentmihalyi). Eu-Stress führt zu Wachstum und zu mehr Kompetenz und Flexibilität.

Di-Stress sind die Momente oder Aufgaben, in denen man sich überfordert oder sich bedroht fühlt. Man hat das Gefühl, nicht angemessen reagieren zu können. Zeit- und/oder Erwartungsdruck anderer und den man sich auch selbst machen kann, belastet uns.

Dauerhafter Di-Stress führt zu den bekannten Krankheitssymptomen wie z.B. Mühe, sich zu konzentrieren, Bluthochdruck, Sehstörungen und Magengeschwüren.

 

Wichtig: Stress Empfinden ist etwas Subjektives, das allein durch unsere Bewertung der Aufgabe oder der Situation entsteht. So ist dieselbe Situation für den einen eine „geile Aufgabe“ für den anderen ein schier unüberwindbares Hindernis.

Wenn das aber so ist, muss es doch Möglichkeiten geben, aus diesem Kreis herauszukommen.

Neulich hörte ich von folgendem Experiment mit zwei Ratten:

Beide saßen in zwei voneinander getrennten Käfigen, wo sie regelmäßig leichte Stromstöße über den Gitterrost des Fußbodens erhielten.

Ratte eins bekam vorher einen Lichtimpuls und konnte über Betätigung eines kleinen Hebels den kurz darauf folgenden Stromstoß ausschalten, was sie nach kurzer Lernphase auch tat. Sie war dadurch sehr beschäftigt, erhielt jedoch keinen Stromstoß.

Ratte zwei, musste sich dem Stromstoß wehrlos hingeben.

Nach einer Weile wurden beide untersucht. Während Ratte eins körperlich fit war, zeigte Ratte zwei schon erste Stresssymptome, wie erhöhten Blutdruck und ein beginnendes Magengeschwür.

 

Ähnlich ist es bei uns. Stress empfinden wir dann, wenn wir uns der Situation macht- und wehrlos hingeben müssen. D.h. beim Meistern des Stress` geht es darum, wieder Herr der Situation zu werden.

Was kann man also konkret tun -welchen Hebel- wie die Ratte bedienen?

  1. (Neu)Bewertung der Situation: Analysieren Sie die Situation genau, was genau daran macht ihnen Stress? Ist es die Erwartung des Partners, die Sie nicht enttäuschen wollen? Fehlt Ihnen die Kompetenz, die Aufgabe zu erledigen? Vielleicht können Sie jemand fragen.Ist das Zeitbudget zu knapp? Es ist jetzt, eine Woche vorher, leichter, dieses zu verlängern, als am Abgabetag nicht fertig zu sein.Ist es die Art und Weise, wie man Ihnen die Aufgabe „aufgedrückt“ hat?
  1. Lernen Sie NEIN sagen: Sie und nur Sie kennen Ihre Prioritäten und Ihr Zeitbudget. Sagen Sie einfach einmal, „Ich kann das jetzt nicht machen“ oder bitten Sie Ihren Chef, mit Ihnen über die anstehenden Aufgaben/Projekte zu reden und dann gemeinsam die Prioritäten festzulegen.

  2. Nehmen Sie Abstand; Bewegung hilft: Stehen Sie einfach einmal von Ihrem Platz auf, holen sich etwas aus der Teeküche oder gehen nur so ein paar Schritte. Achten Sie dabei bewusst auf Ihre Atmung und atmen langsam und tief durch. Dann bleiben Sie im Abstand von ca. drei Metern vor Ihrem (Arbeits)Platz stehen und schauen mit diesem weiten Fokus darauf. Was liegt da? Was ist wirklich wichtig? Was ist jetzt wichtig? Schalten Sie in den „Jetzt-Modus“

  3. Wahrnehmung: Nehmen Sie wahr, was um Sie herum passiert. Sie sind zu spät losgefahren und werden zu spät kommen. Trotzdem blüht und duftet das Rapsfeld, an dem Sie gerade vorbeifahren, riechen Sie es? Was gibt es Neues zu entdecken auf dem Weg zur Arbeit?

 

Wenn Sie dauerhaft Stress empfinden, gewöhnen Sie sich an, Ihren Arbeitstag abzuschließen:

  • Gehen Sie ihn nochmal durch. Was haben Sie alles erledigt? Eine ganze Menge, oder?
  • Denken Sie den nächsten Tag an. Womit starten Sie morgen als Erstes? Legen Sie die Sachen schon mal griffbereit hin, so dass Sie morgen wohl optimal starten werde.
  • Schreiben Sie die drei wichtigsten Aufgaben von morgen auf, dass macht den Kopf frei. Und dann erst stehen Sie auf und verlassen Ihren Arbeitsplatz.
  • Zu Hause hilft sicher ein kleines Ritual, das Sie ablenkt. Eine Musik, ein Gedicht in einem Gedichtbuch oder eine halbe Stunde im Garten Unkraut jäten.
  • Überprüfen Sie bei einem verregneten Abend, ob Ihr „normaler“ Tagesablauf vielleicht einfach nicht passt. Ist es wirklich wichtig, gleich nach dem Wecker klingeln, auf das Handy zu schauen?

Sie sind nicht in Lebensgefahr, wenn Sie sich nicht sofort melden. Lohnt es sich vielleicht, schon am Abend den Morgen etwas vorzubereiten? Was wollen Sie z.B. anziehen?

Ich würde sagen, unser Kunde ist voll im Flow!

 

Denn: Stress ist für den einen lebensgefährlich und für den anderen lebensnotwendig.

 

„Stress, das sind die Handschellen, die man ums Herz trägt“

                       Helmut Qualtinger

 

Zurück